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Gericht: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil verkündet am 08.06.2005
Aktenzeichen: 10 Sa 62/05
Rechtsgebiete: ArbGG, BGB
Vorschriften:
ArbGG § 69 Abs. 2 | |
BGB § 626 Abs. 1 |
Aktenzeichen: 10 Sa 62/05
Entscheidung vom 08.06.2005
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 06.01.2005, AZ: 2 Ca 1856/04, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen sowie einer hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.
Der am 18.07.1962 geborene Kläger war seit dem 19.04.1999 bei der Beklagten als Fahrer und zuletzt auch als Tourenleiter beschäftigt. Seine Arbeitsvergütung, die sich auf der Grundlage eines Stundenlohnes bemisst, belief sich zuletzt auf ca. 2.000,00 EUR brutto monatlich.
Zum Nachweis der von ihm erbrachten Arbeitszeit hatte der Kläger jeweils Arbeitsanfang und -ende in einem sog. Fahr- und Arbeitsdispo einzutragen. Darüber hinaus war er verpflichtet, jeweils zu Beginn seiner Arbeit eine Tachoscheibe in den LKW einzulegen und diese bei Beendigung seiner Arbeit wieder herauszunehmen. Dies galt auch für Zeiten, in denen der Kläger nicht das Fahrzeug führte sondern Bürotätigkeiten ausübte. Die Tachoscheibe diente bei der Beklagten somit - entsprechend einer Stempeluhr - als Arbeitszeit-Kontrolleinrichtugng. Am 07.10.2004 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger für Samstag, den 02.10.2004, in seinem Arbeitsdispo als Arbeitszeit 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr eingetragen hatte, während auf der Tachoscheibe nur eine Arbeitszeit von 08.00 Uhr bis 11.30 Uhr erkennbar war. Bei den anschließenden Recherchen wurde ermittelt, dass der Kläger am 02.10.2004 nicht gearbeitet hatte. Ein anderer Mitarbeiter der Beklagten hatte jedoch auf Bitte des Klägers für diesen die Tachoscheibe am 02.10.2004 im LKW eingelegt. Bei weiteren Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Kläger den betreffenden Mitarbeiter bereits am Freitag, dem 24.09.2004, gebeten hatte, am Folgetag die Tachoscheibe um 07.45 Uhr einzulegen und sie um 13.00 Uhr wieder zu entfernen. Auch dieser Bitte des Klägers war seitens des Mitarbeiters entsprochen worden.
Mit Schreiben vom 14.10.2004 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers fristlos sowie hilfsweise auch ordentlich. Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 22.10.2004 beim Arbeitsgericht eingereichte Kündigungsschutzklage.
Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, ihm sei die Anweisung erteilt worden, seine eventuelle sonntags anfallenden Arbeitsstunden dadurch zu belegen, dass bereits samstags die Tachoscheibe in den LKW eingelegt werde. Die betreffende Anweisung habe ihm der frühere Außenstellenleiter der Beklagten, der Zeuge E. gegeben. Grund für diese Anordnung sei wohl der Wunsch gewesen, dass keine Belege existieren sollten, aus denen hervorgehe, dass bei der Beklagten auch sonntags gearbeitet werde. Nachdem der Außenstellenleiter E. das Unternehmen verlassen habe, habe er - der Kläger - dessen Nachfolger, den Zeugen F. gefragt, ob er auch in Zukunft hinsichtlich etwaiger Sonntagsarbeit die Tachoscheibe bereits samstags einlegen solle. Der Zeuge F. habe ihm geantwortet, dass dies in Ordnung gehe. Sowohl am Sonntag, dem 26.09.2004, als auch am Sonntag, dem 03.10.2004 habe er sich zum Betrieb der Beklagten begeben und dort Büroarbeit (Kontrolle und Ausarbeitung von Tourenplänen) verrichtet und zwar in dem zeitlichen Umfang, der durch die bereits samstags eingelegten Tachoscheibe ausgewiesen sei.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, es stelle eine grobe und nicht hinzunehmende Störung des Vertrauensverhältnisses dar, wenn ein Mitarbeiter Arbeitszeiten angebe, zu denen er nicht gearbeitet habe und dies auch noch dadurch untermauere, dass er andere Mitarbeiter dazu anstifte, für ihn die Zeiterfassungskontrolle zu manipulieren. Eine Anweisung an den Kläger, etwaige Sonntagsarbeit dadurch zu dokumentieren, dass er die Tachoscheibe bereits samstags einlege, sei nie erteilt worden. Es treffe auch nicht zu, dass der Kläger an den betreffenden Sonntagen gearbeitet habe.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.01.2005 abgewiesen. Hinsichtlich der maßgeblichen Entscheidungsgründe wird auf die Seiten 4 und 5 dieses Urteils (= Bl. 39 u. 40 d. A.) verwiesen.
Gegen das ihm am 18.01.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.01.2005 Berufung eingelegt und diese am 31.01.2005 begründet.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 06.01.2005, AZ: 2 Ca 1856/04, abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die Kündigung der Beklagten vom 14.10.2004 weder fristgemäß noch fristlos aufgelöst worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beschluss vom 11.05.2004 (Bl. 85 d. A.) durch Vernehmung der Zeugen E. und F.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.06.2005 (Bl. 91 - 95 d. A.) verwiesen.
Von einer weitergehenden Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die von den Parteien im Berufungsverfahren eingereichten Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist sowohl form- als auch fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist nicht begründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist bereits durch die streitbefangene außerordentliche Kündigung vom 14.10.2004 mit sofortiger Wirkung aufgelöst worden. Die fristlose Kündigung erweist sich wegen Vorliegens eines wichtigen Grundes i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB sowie in Ermangelung sonstiger Unwirksamkeitsgründe als rechtswirksam.
Ein wichtiger Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB ist nach der gesetzlichen Definition gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die es dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile unzumutbar machen, das Arbeitsverhältnis für die Dauer der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortzusetzen. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob ein bestimmter Sachverhalt - ohne die besonderen Umstände des Einzelfalles - (überhaupt) geeignet ist, einen wichtigen Grund zu bilden. Sodann ist zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, d. h. ob es dem Kündigenden unzumutbar geworden ist, das Arbeitsverhältnis bis zu dem gemäß § 626 Abs. 1 BGB relevanten Zeitpunkt fortzusetzen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze erweist sich die außerordentliche Kündigung als wirksam.
Der Kläger hat unstreitig einen anderen Mitarbeiter dazu veranlasst, sowohl am Samstag, dem 02.10.2004, als auch am Samstag, dem 25.09.2004, zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Tachoscheibe in den LKW einzulegen und diese, ebenfalls zu einem bestimmten Zeitpunkt, wieder zu entfernen. An den betreffenden Samstagen hat der Kläger jedoch nicht gearbeitet. Da die betreffende Handhabung (Einlegen einer Tachoscheibe zu Beginn der Arbeitszeit und deren Entfernung bei Beendigung der Arbeit) bei der Beklagten zur Erfassung und Kontrolle der geleisteten Arbeitsstunden dient, hat der Kläger, der von der Beklagten im Stundenlohn vergütet wurde, unter Zuhilfenahme des betriebsüblichen Zeiterfassungssystems vorgetäuscht, an den betreffenden Samstagen gearbeitet zu haben. Darüber hinaus hat er in dem von ihm auszufüllenden Fahr- und Arbeitsdispo ebenfalls wahrheitswidrig für die beiden Samstage Arbeitsstunden eingetragen. Zwar hat der Kläger behauptet, er sei angewiesen worden, seine eventuell sonntags erbrachten Arbeitsstunden dadurch zu belegen, dass er bereits samstags die Tachoscheibe in den LKW einlegt. Diese Behauptung konnte die Beklagte indessen widerlegen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Berufungsgerichts fest, dass dem Kläger die von ihm behauptete Anweisung nicht erteilt worden war. Sowohl der Zeuge E. als auch der Zeuge F. haben anlässlich ihrer Vernehmung glaubhaft und übereinstimmend bekundet, dass eine diesbezügliche Anordnung gegenüber dem Kläger niemals getroffen wurde. Hinsichtlich der Glaubwürdigkeit der Zeugen bestehen seitens des Gerichts keinerlei Bedenken.
Das Verhalten des Klägers stellt ungeachtet seiner strafrechtlichen Bewertung eine äußerst schwerwiegende Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar und ist zweifellos geeignet, einen wichtigen Grund i. S. v. § 626 Abs. 1 BGB zu bilden. Die Beklagte war auch nicht gehalten, dem Kläger zunächst lediglich eine Abmahnung zu erteilen. Eine solche ist nämlich entbehrlich, wenn es sich - wie im Streitfall - um einen besonders schweren Pflichtenverstoß handelt, bei dem der Arbeitnehmer von vornherein nicht mit einer Billigung seines Verhaltens rechnen kann und er sich bewusst sein muss, dass er seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt (vergl. Müller-Glöge, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 4. Auflage, § 626 BGB Rz. 49 m. N. a. d. R.).
Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles sowie der Interessen beider Vertragsteile wiegt das Fehlverhalten des Klägers so schwer, dass der Beklagten nicht zugemutet werden kann, den Kläger noch wenigsten bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, d. h. bis zum 31.12.2004 weiter zu beschäftigen. Dies gilt selbst dann, wenn man die Behauptung des Klägers als wahr unterstellt, er habe die an den betreffenden Samstagen angegebenen Arbeitstunden jeweils am darauf folgenden Sonntag erbracht. Diesbezüglich ist nämlich zu berücksichtigen, dass der Kläger keinesfalls bereits freitags Kenntnis davon haben konnte, welche Arbeitszeit er exakt am folgenden Sonntag aufbringen musste, um die nach seiner Behauptung noch zu erledigende Arbeit fertigzustellen. Der Kläger hätte somit unter Zugrundelegung seines eigenen Vorbringens sich sozusagen vorab "ins Blaue hinein" bestimmte Arbeitszeiten aufzeichnen lassen, hinsichtlich deren Erbringung er keineswegs sicher sein konnte. Zwar spricht zu Gunsten des Klägers insbesondere der Umstand, dass er gegenüber seiner Ehefrau sowie zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist. Auch kann sein Lebensalter von 42 Jahren bei Kündigungsausspruch sowie die allgemein schlechte Situation auf dem Arbeitsmarkt im Rahmen der Interessenabwägung nicht unbeachtet bleiben. Andererseits hatte das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt der Kündigung erst ca. 5 1/2 Jahre und somit noch nicht sehr lange bestanden. Demgegenüber ist jedoch zu Gunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass der Kläger die Befugnis, seine Arbeitszeiten selbst durch Eintragungen im Arbeitsdispo und durch Einlegung der Tachoscheibe zu dokumentieren, ausgenutzt und dadurch das erforderliche Vertrauen in seine Redlichkeit und Zuverlässigkeit vollständig zerstört hat. Dieser Vertrauensverlust wiegt deutlich schwerer als die zu Gunsten des Klägers sprechenden sozialen Gesichtspunkte.
Nach alledem war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Für die Zulassung der Revision bestand im Hinblick auf die in § 72 Abs. 2 ArbGG genannten Kriterien keine Veranlassung. Auf die Möglichkeit, die Nichtzulassung der Revision selbstständig durch Beschwerde anzufechten (§ 72 a ArbGG), wird hingewiesen.
Ende der Entscheidung
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